Die Schweiz unterhält heute ein weltumspannendes Netz von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit über 100 Partnerländern. Ziel dieser DBA ist es, eine zweimalige Besteuerung der Steuerpflichtigen zu vermeiden und Hürden im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr zu beseitigen. Aus heutiger Sicht der globalen Vernetzung der Welt eine Selbstverständlichkeit – dass die Anfänge der Abkommen aber bis in die Zeit des Ersten Weltkrieges zurückgehen, ist weniger bekannt.
Internationales
Aus der Frühzeit der Doppelbesteuerungsabkommen
Die erste Anfrage aus Deutschland
Am 18. Oktober 1917 wandte sich die Kaiserlich Deutsche Gesandtschaft an die Abteilung für Auswärtiges in Bern. Sie bat darum, „sehr gefälligst feststellen zu wollen, ob bei der hohen Schweizerischen Regierung Geneigtheit besteht“, eine Vereinbarung zur Beseitigung der Doppelbesteuerung abzuschliessen.
Das Anliegen wurde zur Beurteilung an das Schweizerische Finanzdepartement (FD), das Schweizerische Justiz- und Polizeidepartement (JPD) und an den Präsidenten des Vororts des Schweizerischen Handels- und Industrievereins weitergeleitet.
Die Verwaltung und die Vertreter der Wirtschaft beriefen sich auf den Föderalismus und waren sich rasch einig: Ein Staatsvertrag mache keinen Sinn. Materiell seien weder der Bund noch das Deutsche Reich betroffen, sondern nur die Kantone und die Einzelstaaten des nördlichen Nachbars. Überdies würden sich die in Frage kommenden Steuern nicht eignen, da sie sich in den beiden Ländern zu stark unterscheiden.
Am 3. November 1919 machte die Deutsche Gesandtschaft einen neuen Vorstoss. Dieses Mal wandte sie sich direkt an Bundesrat Giuseppe Motta. Sie regte nicht nur eine Regelung von Doppelsteuerfragen, sondern auch ein Übereinkommen zur gegenseitigen Hilfe bei Steuerhinterziehung und zur „Betreibung festgestellter Steuern“ an. Doch auch dieses Mal führte das Anliegen nicht zum Abschluss eines Abkommens.
Das Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland vom 15. Juli 1931
Im Zuge des Aufschwungs des Finanzplatzes änderte sich die Einschätzung der Schweiz in den 1920ern. Es gab immer mehr Beschwerden von Schweizer Privatpersonen und Unternehmen, die an zwei Orten Steuern zahlen mussten. Auch war das Steuerwesen Deutschlands im Rahmen der Weimarer Verfassung vereinheitlicht worden. Dies führte zu einem Umdenken und im Jahr 1927 wurden Verhandlungen aufgenommen, in denen auch die Kantone einbezogen wurden. Das erste DBA, dasjenige mit Deutschland, wurde am 15. Juli 1931 abgeschlossen. Keine vier Monate später wurde auch ein Abkommen mit Grossbritannien unterzeichnet.
Die Genehmigung der Abkommen oblag schon damals dem Parlament. Die Doppelbesteuerung sei kein Nachkriegsphänomen und angesichts der mehr und mehr nationalistisch eingestellten Wirtschaft komme sie immer häufiger vor, argumentierte nun der Bundesrat in seiner Botschaft. Die Schweizer Exportindustrie könne sich den Luxus der doppelten fiskalischen Belastung nicht mehr leisten. Die Bankiervereinigung und der Vorort stünden hinter den Vorhaben. Bis zum Zweiten Weltkrieg vernetzte sich die Schweiz mit weiteren umliegenden Staaten: Frankreich, Österreich, Ungarn und Liechtenstein. Diese Abkommen betrafen alle die Zuweisung der Steuerhoheit und konnten ohne Ausführungsbestimmungen umgesetzt werden.
Ein „Neuanfang“ nach dem Zweiten Weltkrieg
Der Weltkrieg brachte eine wichtige Änderung. Die neuen Abkommen beinhalteten auch die Frage der Entlastung von Steuerpflichtigen. Es wurde nötig zu klären, wer die Ausführungsbestimmungen in Zukunft regelte. Mit dem Bundesbeschluss vom 22. Juni 1951 wurde die Kompetenz dem Bundesrat zugewiesen. Einen Tag später beschloss der Nationalrat am letzten Tag der Sommersession 1951, das DBA mit den USA zu ratifizieren. „L’arrêté à autoriser le Conseil fédéral à ratifier la convention est acceptée par 91 voix contre 0“, vermerkte damals der Nouvelliste Valaisan. Damit stand der Verwirklichung des Abkommens nichts mehr im Wege.
Die Grundsteine für die immer stärker werdende aussenwirtschaftliche Verflechtung der Schweiz wurden also im frühen 20. Jahrhundert gelegt. Das immer dichter werdende DBA-Netz ist Ausdruck dieser Verflechtung und die Abkommen geben Rechtssicherheit für die international tätigen Wirtschaftszweige.
Staatssekretariat für internationale Finanzfragen SIF: Doppelbesteuerung und Amtshilfe